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Tough Buff

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Notizen, Zitate, Fragmente, Erinnerungen
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Misfits, Survivors & Zombis

1978 erinnerte Elie Wiesel mit seinem Plädoyer für die Überlebenden an den prekären Status von Holocaust-Überlebenden in der Nachkriegszeit: „They were disturbing misfits who deserved charity, but nothing else.“ Die Opfer der Lager, deren Image insbesondere durch die zahlreichen amerikanischen Pressebilder von Leichenhaufen und lebenden Toten aus den befreiten KZs geprägt war, galten bis in die 1970er Jahre als störende Außenseiter. Ihre reine Existenz löste in der Mehrheitsgesellschaft Scham, Abscheu und Unbehagen aus. Wiesel, der Auschwitz und Buchenwald überlebt hatte und in den USA zum preisgekrönten Schriftsteller avancierte, versuchte diese öffentliche Wahrnehmung der NS-Opfer zu verbessern. Unter dem anerkennenden Begriff Holocaust survivor gelang dies auch in den folgenden Jahrzehnten - mit weitreichenden Folgen bis heute.

Der Zusammenhang zwischen den Opfern der NS-Verbrechen als unheimliche Außenseiter lässt sich auch gut an Entwicklungen innerhalb der amerikanischen Popkultur nachvollziehen. Ein Jahr bevor Wiesel sein Plädoyer publizierte, gründete Glenn Danzig im März 1977 in New Jersey die Punk-Band Misfits, die den Grundstein für das Genre Horrorpunk legte. Der selbstgewählte Status als Außenseiter ging einher mit dem Kokettieren mit Todesästhetik (der Crimson Ghost als Band-Logo erinnert zwangsläufig an den SS-Totenkopf), -erotisierung (Doyle Wolfgang von Frankenstein als durchtrainierter tough guy Zombi) sowie einer postapokalyptischen Attitüde: Schimmert in der 1979 erschienenen EP Night of the Living Dead auch eine Verbindung von Zombis mit den lebenden Toten aus den KZs durch? Der Gruselfaktor der amerikanischen Horrorfilme und -bands korrelierte mit den Schrecken des realen Horrors der Lager und der Bedrohung einer atomaren Zerstörung der Erde im Kalten Krieg. Und nicht nur die KZ-Opfer, auch die Nazis suchen uns immer wieder als Zombis heim. Doch die NS-Opfer wurden in den Folgejahren von misfits zu gesellschaftlich anerkannten Heldenfiguren und die Außenseiter-Punker wurden zu gefeierten Stars, zumindest innerhalb der Szene. Die No Future Pose der 1980er hat sich zum Verkaufsschlager entwickelt.

Die Kategorie des Überlebens kann als Schlüsselbegriff des Katastrophen geplagten 20. Jahrhunderts verstanden werden. Das Leben wird entweder nur noch als ein Weiterleben oder gar als grandiose Leistung und Identität definiert.

Die einst gruseligen lebenden Toten sind indes längst zum Witz degradiert worden: “The Dead Don’t Die” ist der meta-ironische Abgesang auf den Zombikult - ohne Sinn, ohne Botschaft, ohne irgendeinen Schluss - irgendwie sind wir jetzt alle Zombis, gefühlte Opfer und Überlebende zugleich.

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