Nur ein Lebendiges fühlt Mangel; denn nur es ist in der Natur der Begriff, der die Einheit seiner selbst und seines bestimmten Entgegengesetzten ist. Wo eine Schranke ist, ist sie eine Negation nur für ein Drittes, für eine äußerliche Vergleichung. Mangel aber ist sie, insofern in einem ebenso das Darüberhinaussein vorhanden, der Widerspruch als solcher immanent und in ihm gesetzt ist. Ein solches, das den Widerspruch seiner selbst in sich zu haben und zu ertragen fähig ist, ist das Subjekt, dies macht seine Unendlichkeit aus. - Auch wenn von endlicher Vernunft gesprochen wird, so beweist sie, daß sie unendlich ist, eben darin, indem sie sich als endlich bestimmt; denn die Negation ist Endlichkeit, Mangel nur für das, welches das Aufgehobensein derselben, die unendliche Beziehung auf sich selbst, ist. (Vgl. § 60 Anm.) - Die Gedankenlosigkeit bleibt bei der Abstraktion der Schranke stehen und faßt im Leben, wo der Begriff selbst in die Existenz tritt, ihn ebenfalls nicht auf; sie hält sich an die Bestimmungen der Vorstellung, wie Trieb, Instinkt, Bedürfnis usf., ohne zu fragen, was denn diese Bestimmungen selbst in sich sind; die Analyse ihrer Vorstellung wird ergeben, daß sie Negationen sind, gesetzt als in der Affirmation des Subjekts selbst enthalten.
Hegel, W 9, Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse, Zweiter Teil: Die Naturphilosophie, 3. Abteilung: Organische Physik, C. Der tierische Organismus, b. Die Assimilation, § 359, S. 469, Frankfurt/M. 1979.