Hier jedoch, an der Schwelle einer philosophischen Analyse der Identität, scheint es angemessen, das Gesicht sehr genau zu betrachten, das sie uns und dem Alltagsleben zuwendet – die Wiederholung als solche nämlich, die fortwährende Wiederkehr des Gleichen in all ihrer psychologischen Öde und Langeweile mit anderen Worten, die Neurose. Adorno bedient sich der Freudschen Begrifflichkeit auf sehr beschränkte Weise (die in manchen Zusammenhängen grobmaschig und altmodisch erscheint, in anderen dagegen neue Schichten und Ebenen der Analyse freilegt,) und so gilt ihm die Neurose einfach als die tödlich langweilige Eingeschlossensein des Ich in sich selbst, das durch seine Furcht vor dem Neuen und Unerwarteten verstümmelt ist und seine Einerleiheit auf all seinen Wegen mit sich schleppt, um den Schutz des Gefühls zu genießen, daß es wo immer es seine Hand zur Berührung ausstrecken mag, nirgendwo auf etwas ihm Unbekanntes treffe. Angesichts dieser Auffassung beginnt sich jedoch die Frage aufzudrängen – nicht nur ›psychologisch‹ -, welche Kraft dazu erforderlich wäre, sich dem Neuen zu stellen, sich ihm zu ›öffnen‹; noch mehr jedoch: wie das Neue beschaffen sein und aussehen könnte, wie man es anstellt, etwas sich vorzustellen und in Begriffe zu fassen, was per definitionem unvorstellbar und unvorhersehbar ist, was in der je geläufigen Erfahrung kein Äquivalent besitzt. An diesem Punkt taucht allmählich das Gegen-Bild oder Trugbild zum völlig in seine ›Identität‹ eingesperrten neurotischen Ich auf – nämlich die jeder Darstellung sich entziehende Vision des im unaufhörlichen Fluß befindlichen absolut Neuen, des Unwiederholbaren, des großen Stroms, in den man niemals zweimal taucht und den Deleuze den flux des ewigen Wandels nennt, in dem weder Subjekt noch Objekt jemals vorstellbar sind, nur der Schrecken und die Erschöpfung des radikalen Unterschieds ohne Markierungspunkte oder Wegweiser, ohne Augenblicke des Verweilens, ja selbst ohne jene Erdspalten und -falten, in die wir, wie der Stier in seine querencia, uns zurückziehen, um unsere Wunden zu lecken und ein paar friedvolle Momente zu finden.
Fredric Jameson, Spätmarxismus. Adorno oder Die Beharrlichkeit der Dialektik, Teil I: Düstere Beschwörungen des begriffs, 1. Identität und Nicht-Identität, S. 21, Hamburg 1991.