noxe reblogged
Freilich mißtrauen wir dem Interesse an Theorie, wie es mittlerweile allseitig bekundet wird, nicht weniger. In der Gleichmütigkeit, mit der man verschiedene Theorien rezipiert, ohne daß man es jemals zum Konflikt zwischen ihnen kommen ließe; in der Konsumentenperspektive, aus der Foucault, Butler und irgendwann auch Heidegger (s. Günter Jacob in der Jungle World) als ebensolche “Bereicherung” erscheinen wie Marx und Adorno – in dieser Haltung erblicken wir die nahtlose Fortsetzung der alten linken Untugend: alles interessant finden, aber nichts wirklich ernstnehmen. Die Standardphrase, man dürfe nicht beim einmal Erreichten stehenbleiben, sondern müsse eifrig lernen und weiterdenken, halten wir für den Ausdruck einer allgemein grassierenden Leidenschaftslosigkeit, die eine jede Theorie achtlos wegzuwerfen bereit ist, sobald sie nicht mehr verspricht, “spannend” zu sein, d.h. das eigene Bedürfnis nach Abwechslung zu befriedigen. Theoretisches Eingreifen, andere Leute überzeugen zu wollen – agitieren nannte man es früher – ist dann kein Thema mehr. Die Ablösung theoretischer Beschäftigung vom emanzipatorischen, also revolutionären Ziel, die leicht angeschauerte Verabschiedung der Agitation – all das verweist darauf, daß man nichts mehr will. (…)
Die Kritik am spätkapitalistischen Alltagszustand kann daher nur eine sein, die die Kritik am linken Sich-darin-einrichten impliziert, egal, welche Form dieses gerade annimmt.
Source: redaktion-bahamas.org