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#sprechen – @noxe on Tumblr
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NOXE

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Jakob Blumtritts Tagesgeschäft: die ästhetischen Sinne der Philosophie des Geistes; und der Geist ward der nervöse Genius der Materie.
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Sprache und lebendige Rede, beides Fragmente von Praxis, möchten die Praxis gleichmachen: Das Ganze der Praxis soll über den Diskurs verlaufen. Dieser will total sein. Er muß sich in der Tat als totaler wollen und ist doch immer nur partiell. Niemals wird alles gesagt. Und gibt man vor, alles zu sagen oder alles gesagt zu haben, so ist damit nichts weniger angezeigt, als daß die Sprache in eine Krise geraten ist. Der Sprache Vorrang einzuräumen bedeutet noch immer, dem Bewußtsein Vorrang einzuräumen und damit im Rahmen der überkommenen Philosophie zu verbleiben: der idealistischen; bedeutet, jene zu fetischisieren, sie in eine entfremdete und entfremdende Macht zu verwandeln, am Ende in ein Ding. Man muß über die Sprache, ja selbst über die lebendige Rede hinausgehen, will man finden, aufdecken – hervorbringen –, was gesagt werden wird. Die Sprache ist nach allen Seiten offen: gegenüber der Dialektik, die den Diskurs wie die Kritik des Diskurses voraussetzt, gegenüber der (totalen und revolutionären oder partiellen) Praxis, gegenüber den Problematiken, gegenüber der Dialektik der Geschichte und der Ironie der Geschichte, gegenüber dem Alltagsleben. Die Sorge um Kohärenz, obwohl wesentlich, ist den Apellen zu solcher Offenheit untergeordnet, darf nicht zu einem Fetisch werden.

Lefebvre, Henri (1978): Einführung in die Modernität. Zwölf Präludien, Frankfurt a. M., S. 14f. (via hintergrundrauschen)

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Nichts habe ich so stark erfahren, wie die Beziehung zur Wahrheit, die in der Anrede liegt, und zwar in einer ganz spezifischen Weise. Es ist mir nämlich immer schwer gefallen und fällt mir im Grund heute noch so schwer zu verstehen, daß ein Mensch, der spricht, ein Schurke sein oder lügen soll. Mein Gefühl vom Wahrheitsanspruch der Sprache ist so stark, daß es sich über alle Psychologie durchsetzt und daß ich dem Sprechenden gegenüber zu einer Leichtgläubigkeit neige, die in schreiendstem Widerspruch zu meiner Erfahrung steht und die im allgemeinen erst überwunden wird, wenn ich von dem Betreffenden etwas Geschriebenes oder Gedrucktes lese, woran ich dann eben erkenne, daß er doch nicht sprechen kann. Meine fast unüberwindliche Abneigung dagegen, Lügen auszusprechen, hängt nur mit diesem Bewußtsein und gar nicht mit einem moralischen Tabu zusammen. In dem Satz, ein Mensch habe doch etwas gesagt und deshalb müsse es wahr sein, den alle Klugheit verlacht, steckt eben die Wahrheit, welche die Klugheit verrät.

Adorno am 23.09.1941 in einem Brief Max Horkheimer.

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Weit entfernt, daß ich »aus dem Nichts« mich z.B. als »Sprechenden« erschüfe, ist das Nichts, was hier zugrunde liegt, ein sehr mannigfaltiges Etwas, das wirkliche Individuum, seine Sprachorgane, eine bestimmte Stufe der physischen Entwicklung, vorhandene Sprache und Dialekte, hörende Ohren und eine menschliche Umgebung, die etwas zu hören gibt, etc. etc. Es wird also bei der Ausbildung einer Eigenschaft Etwas von Etwas durch Etwas geschaffen, und keineswegs, wie in der Hegelschen Logik, von Nichts durch Nichts zu Nichts gekommen.

Karl Marx/Friedrich Engels, MEW 3, Die deutsche Ideologie, S. 133, Berlin 1983. 

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Denn was lässt sich noch darstellen, wenn es im Wesen der Sache liegt, sich der Darstellung zu entziehen? Darzustellen bleiben die Bedin- gungen des Sich-Entziehens.

Samuel Beckett: »Peintres de l’Empêchement«, in: Derrière le miroir, n°11-12 (Juni 1948), jetzt in: ders., Disjecta, London: Calder 1983, S. 133-137, hier S. 136 (Übers. v. E. Alloa), >.

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»VON VERSTREUTEN GEDANKEN ÜBER REFLEXIONEN IN KONFUSIONEN ZU ZERSTREUTEN GEDANKEN«

Was zerstreut sich beim Schreiben bereits zwischen diesem und jenem Denken? Das scheint der Aufklärung zu bedürfen, wenn man den Prozess des Schreibens begreifen will. Orientiert man sich dabei auf eine phänomenologische Intervention, ist es wichtig zu verstehen, dass man es mit einer Intervention zu tun hat, und nicht mit einer phänomenologischen Methode, mit der man eine epochéherstellt, was an…
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Schreiben beginnt nur, wenn Schreiben die Annäherung an jenen Punkt ist, wo sich nichts offenbart, wo inmitten der Verheimlichung Reden [parler] immer nur der Schatten des Sprechens [parole] ist, Sprache, die immer nur ihr Bild ist, imaginäre Sprache und Sprache des Imaginären, jene, die niemand spricht, Gemurmel des Unaufhörlichen und des Unbeendbaren, dem Schweigen auferlegt werden muss, wenn man, endlich, vernommen werden will.

Maurice Blanchot, Der literarische Raum, II. Annäherung an den literarischen Raum. Mallarmés Erfahrung, S. 44, Zürich 2012.

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IM UMFELD EINER LEKTÜRE DER »RECHERCHE« - Katarakt vom Laut zur Schrift

IM UMFELD EINER LEKTÜRE DER »RECHERCHE«1
»Keine Stimme, kein Laut, kein Heulen war zu hören; der […] einzige Ton des Lebendigen […] war ein Zischen.“2
»The face that launched a thousand lengthy essays about hauntology.«3
»Katarakt vom Laut zur Schrift.« – Keiner zeigt eine Falte im Gesicht – die »Jetztzeit« ist zu ernst. Bereits deren nominelle Gestalt, hässlich und kakophonisch als greulicher…
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Die Zusammengehörigkeit der Hermeneutik und Grammatik beruhet darauf, daß jede Rede nur unter der Voraussetzung des Verständnisses der Sprache gefaßt wird. – Beide haben es mit der Sprache zu tun. Dies führt auf die Einheit von Sprachen und Denken, die Sprache ist die Art und Weise des Gedankens, wirklich zu sein. Denn es gibt keinen Gedanken ohne Rede. Das Aussprechen der Worte bezieht sich bloß auf die Gegenwart eines andern und ist insofern zufällig. Aber niemand kann denken ohne Worte. Ohne Worte ist der Gedanke noch nicht fertig und klar.

Friedrich Schleiermacher, Sämtliche Werke, Bd. 7, Hermeneutik und Kritk, S. 11, Berlin 1838, >.  

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Jedem Gedanken eignet, gerade weil er nur vermittelt durch die Subjektivität des Denkenden möglich ist, eine die empirischen Subjekte überschreitende Objektivität. Der lebendige Nachvollzug eines Gedankens ist dessen Denken, nicht dessen Reproduktion, und dass es sehr gut möglich ist, die Entwicklung eines Gedankens in Echtzeit zu erleben und ihn trotzdem zu verpassen, weiß jeder, der hin und wieder vor Publikum spricht. Manchmal geschieht es sogar, dass der laut Denkende seinen Gedanken verpasst, der dann vom Zuhörer erwischt werden muss; vielleicht ist das die glücklichste aller Konstellationen der Erkenntnis. Möglich ist derlei nur durch die nie ganz zu tilgende Distanz zwischen Subjekt und Gedanke, weshalb die Erfahrung, dass ein Gedanke, obzwar er nicht möglich ist ohne das je denkende Subjekt, schon da war, bevor man ihn dachte, dass die Tätigkeit des Denkenden eher darin bestand, ihn zu finden, als ihn zu hervorzubringen, jede triftige Erkenntnis begleitet.

Magnus Klaue, Wird es einen Mitschnitt geben?, in: Jungle World, Nr. 45, 6.11.2014, >.

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Der Mensch spricht das Objekt nicht ganz aus. Aber was er davon ausspricht, das ist ein reales, wäre es auch nur seine Idiosyncrasie, das heißt der Bezug, den es auf ihn allein hat. Wäre das nicht, wer sollte den Bezug aussprechen? Der Mensch ist in dem Augenblicke, als er das Objekt ausspricht, unter und über ihm, Mensch und Gott in einer Natur vermittelt. Wir sollten nicht von Dingen an sich reden, sondern von dem Einen an sich. Dinge sind nur nach menschlicher Ansicht, die ein verschiedenes und mehreres setzt. Es ist alles nur Eins; aber von diesem Einen an sich zu reden, wer vermag es?

Goethe-Gespräche, Bd. 2, 1807 1807, 2. August, Mit Friedrich Wilhelm Riemer, S. 181, Hrsg. v. Woldemar Freiherr von Biedermann, Leipzig 1889-1896; vgl. Fritz Mauthner, Wörterbuch der Philosophie, Bd. 1, Goethes Weisheit, S. 658 f., Leipzig 1923.

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Aber das Gedicht spricht ja! Es bleibt seiner Daten eingedenk, aber - es spricht. Gewiß, es spricht immer nur in seiner eigenen, allereigensten Sache. Aber ich denke - und dieser Gedanke kann Sie jetzt kaum überraschen -, ich denke, daß es von jeher zu den Hoffnungen des Gedichts gehört, gerade auf diese Weise auch in fremder - nein, dieses Wort kann ich jetzt nicht mehr gebrauchen -, gerade auf diese Weise in eines Anderen Sache zu sprechen - wer weiß, vielleicht in eines ganz Anderen Sache

Celan, Paul (2000): Der Meridian. Rede anläßlich der Verleihung des Georg-Büchner-Preises, Darmstadt, am 22. Oktober 1960. In ders.: Gesammelte Werke in sieben Bänden. Dritter Band: Gedichte III, Prosa, Reden. Herausgegeben von Beda Allemann und Stefan Reichert unter Mitwirkung von Rolf Bücher. S. 196. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

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Das Sprechen nimmt einen bösen Gestus an. Er wird sportifiziert. Man will möglichst viele Punkte machen: keine Unterhaltung, in die nicht wie ein Giftstoff die Gelegenheit zur Wette sich eindrängte. Die Affekte, die im menschenwürdigen Gespräch dem Behandelten galten, heften sich verbohrt ans pure Rechtbehalten, außer allem Verhältnis zur Relevanz der Aussage.

Theodor W. Adorno: Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben. Frankfurt am Main 2003, S. 156, via

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