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NOXE

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Jakob Blumtritts Tagesgeschäft: die ästhetischen Sinne der Philosophie des Geistes; und der Geist ward der nervöse Genius der Materie.
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Clarice [Lispector] wob einen Mythos um ihren Namen, der bereits in ihrem ersten Roman – damals war sie dreiundzwanzig Jahre alt – deutlich wird. Sie schmückte die Legende ihr ganzes Leben lang aus, indem sie zum Beispiel ohne jegliche Grundlage behauptete, Lispector sei ein lateinischer Name. Durch dessen Zerstückelung – zu lis, Lilie, wie bei der heraldischen Fleur-de-Lis, und pector, Brust – brachte sie die unsinnige Kombination ›Brust-Lilie‹ hervor. Auf ihrem Totenbett verlieh sie diesem wunderlichen Namen durch ein paar gekritzelte Zeilen eine dichterische Aura: ›Ich bin ein von Gott geliebter Gegenstand. Und deshalb wachsen mir Blumen auf der Brust. Er hat mich genau so geschaffen, wie ich gerade schrieb: ›Ich bin ein Gott geliebter Gegenstand‹, und er hat mich gern erschaffen, genauso gern wie ich den Satz erschaffen habe. Und je mehr Geist der menschliche Gegenstand hat, desto größere Befriedigung empfindet Gott. Weiße Lilien auf der Nackheit der Brust. Lilien, die ich darbiete für das, was in dir schmerzt.‹ Aber die eigentliche Realität liegt jenseits von Namen und Sprache. Die mystische Erfahrung, die sie an denkwürdigsten in ihrem Roman Die Passion nach G. H. inszenieren sollte, besteht darin, die Sprache abzubauen, um eine endgültige – und notwendigerweise namenlose – Wahrheit aufzudecken. Bevor ihr altes Leben durch eine überwältigende mystische Vision zerstört wird, fasst die Heldin G. H. ihre Biographie: ›Alles Andere war, wie ich mich nach und nach in den Menschen verwandelt hatte, der meinen Namen trägt. Und am Ende war ich dann mein Name. Es genügt, auf dem Leder meiner Koffer die Initialen G. H. zu sehen, und da bin ich.‹

Benjamin Moser, Clarice Lispector, Eine Biographie, Aus dem Englischen von Bernd Rullköter, 4. Der fehlende Name, S. 54 f., Ffm. 2013.

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Wir analysieren nicht ein Phänomen (z.B. das Denken), sondern einen Begriff (z.B. den des Denkens), und also die Anwendung eines Worts. So kann es scheinen, als wäre, was wir treiben Nominalismus. Nominalisten machen den Fehler, daß sie alle Wörter als Namen deuten, also ihre Verwendung nicht wirklich beschreiben, sondern sozusagen nur eine papierne Anweisung auf so eine Beschreibung geben.

Ludwig Wittgenstein: Philosophische Untersuchungen, § 383. (via journalforjungspundhegelianism)

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Weil sie stumm ist, trauert die gefallene Natur. Doch noch tiefer führt in das Wesen der Natur die Umkehrung dieses Satzes ein: ihre Traurigkeit macht sie verstummen. Es ist in aller Trauer der Hang zur Sprachlosigkeit und das ist unendlich viel mehr als Unfähigkeit oder Unlust zur Mitteilung. Das Traurige fühlt sich so durch und durch erkannt vom Unerkennbaren. Benannt zu sein – selbst wenn der Nennende ein Göttergleicher und Seliger ist – bleibt vielleicht immer eine Ahnung von Trauer.

Walter Benjamin, GS I.1, Ursprung des deutschen Trauerspiels, S. 398, Frankfurt am Main 1991.

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... durchschimmernd wie der Name: kein undurchsichtiges Element der Wirklichkeit unterbrach sein Leuchtbild oder trübte es.“

Marcel Proust, Guermantes, Übersetzt von Walter Benjamin und Franz Hessel, S. 12, in: Walter Benjamin, Gesammelte Schriften, Unter Mitwirkung von Theodor W. Adorno und Gershorn Scholem, herausgegeben von Rolf Tiedemann und Hermann Schweppenhäuser, Supplement III, Herausgegeben von Hella Tiedemann-Bartels, Frankfurt/M. 1987.

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Zur ‘Stimme des Nicht-Identischen’ zu werden ist eine sehr schwierige Aufgabe, homolog zu der, das Unbewußte zum Sprechen bringen, denn ebensosehr, wie der genannte Name die Identität ermöglicht, kann ein gesprochenes Unbewußtes kaum mehr von sich behaupten, daß es unbewußt wäre. Der Name, ursprünglich Signum des Individuellen, - also das, womit gerufen werden kann, kann die ‘Parusie’ des Gerufenen substituieren. Sobald das Individuum, das durch seinen Namen seine Nicht-Identität zu anderem (- es ist nur dies, nichts anderes!) behaupten kann; sobald es also durch den Namen genannt werden kann, droht ihm in diesem Namen seine Verallgemeinerung, denn der Name ist auch in der Abwesenheit des Individuums aussprechbar […] Auch das Unbewußte, auf den Begriff gebracht, droht in diesem sich zu verlieren, da der Begriff selbst Derivat einer grundsätzlichen Sublimation ist, und das Unbewußte selbst definit das Nicht-Sublimierte sein soll. Die Stimme des Nicht-Identischen muß also selbst in sich jene Differenz aufweisen, die zwischen, Stimme und dem, was es benennen soll, liegt.“ Diese Differenz, - eine Erfahrung von Leid, kann […] durch die Dissonanz ausgedrückt werden.

Robert Schurz, Ethik nach Adorno, Musik, S. 120 f., Frankfurt/M. 1985.

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Von der Erfahrung Prousts in Deutschland verspreche ich mir Entscheidendes, nicht im Sinne der Nachahmung, sondern in dem des Maßstabes. Wie man jedem deutschen lyrischen Gedicht anhört, ob es dem Geist nach vor-georgisch oder nach-georgisch ist, auch wenn es mit der georgischen Lyrik selber gar nichts zu tun hat, so sollte sich wohl die deutsche Prosa scheiden nach einer vor-proustischen und nach proustischen. Wer an seiner Forderung, die gewohnten Oberflächenzusammenhänge zu durchbrechen, die genauesten Namen für die Phänomene zu finden, sich nicht mißt, sollte als zurückgeblieben ein schlechtes Gewissen vor sich selber bekommen. Angesichts des desorientierten Zustandes der deutschen Prosa, wenn nicht der Krisis der Sprache überhaupt, ist Rettendes zu hoffen von der Rezeption eines Dichters, der das Exemplarische vereint mit dem Avancierten. Vielen Franzosen gilt Proust für 'deutsch'. Ich wüßte mir literarisch nichts Schöneres zu wünschen, als daß die Deutschen den säkularen Dichter verbindlich und in all seinem abgründigen Reichtum so sich zueigneten, wie nur je einen aus anderen Jahrhunderten.

Theodor W. Adorno, Gesammelte Schriften, Bd. 20.2, Vermischte Schriften I/II, Umfragen, S. 734 f., Frankfurt/M. 2003. 

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