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#ich – @noxe on Tumblr
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NOXE

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Jakob Blumtritts Tagesgeschäft: die ästhetischen Sinne der Philosophie des Geistes; und der Geist ward der nervöse Genius der Materie.
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»ICH WILL NICHT WISSEN, WER ICH BIN.«

»Ich will nicht wissen, wer ich bin.«1 – Es wird das Ich nicht mehr geben, wenn es das Lesen und das Schreiben auch nicht mehr geben wird. Man wird zwar weiterhin einen Spiegel der Welt aufstellen, dessen Position unbestimmt, dessen Kadrierung in ihrer Bestimmtheit nur abhängig Bildendes erlaubt, dennoch eröffnet dieser Spiegel der Welt nichts weniger als die Chance auf eine selbstständige,…

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Wenn ich mich eingehend mit dem befasse, was ich mein ›Ich‹ nenne, stoße ich immer auf die eine oder andere bestimmte Wahrnehmung, von Hitze und Kälte, Licht oder Schatten, Liebe oder Haß, Schmerz oder Vergnügen. Ich kann mein ›Ich‹ nie ohne eine Wahrnehmung erfassen und kann niemals etwas ohne die Wahrnehmung betrachten. Wenn diese Wahrnehmung für eine Zeit aussetzt, wie etwa im Schlaf, bin ich mir meines Ichs nicht bewußt, und man kann füglich von mir sagen, daß ich nicht existiere. Und würden meine Wahrnehmungen durch den Tod allesamt verschwinden und ich könnte nach der Auflösung meines Körpers weder denken, fühlen, sehen noch lieben oder hassen, dann kann ich mir auch nicht vorstellen, was weiter noch nötig wäre, um mich zu einem vollkommenen Nichts zu machen.

David Hume, Treatise of Human Knwoledge, Harmondsworth, Band. I, Teil IV. VI, Seite 300.

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Es gibt einen Schwachkopf in mir, und ich muß mir seine Fehler zunutze machen. Nach außen hin muß ich sie tarnen, Entschuldigungen für sie suchen … Aber innerlich verleugne ich sie nicht, sondern versuche, sie nützlich zu verwenden. Das ist ein ewiger Kampf gegen die Lücken, gegen die Versäumnisse, gegen Zersplitterung, Zerfahrenheit. Aber wer ist Ich, wenn sie nicht Ich sind?

Paul Valéry, Werke, Frankfurter Ausgabe in 7 Bänden, Herausgegeben von Jürgen Schmidt-Radefeldt, Band 5, Zur Theorie der Dichtkunst und vermischte Gedanken, Cahier / Heft B 1910, S. 183, Berlin 2021.

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Mich nicht anklagen. Die Grundlage des Egoismus suchen: alles, was ich nicht bin, kann mich nicht interessieren, es ist unmöglich, viel mehr als das zu sein, was man ist – ich aber gehe ohne Delirium über mich hinaus, ich bin eigentlich normalerweise schon mehr als ich –, ich habe einen Körper, und alles, was ich tue, ist die Fortsetzung meines Anfangs …

Clarice Lispector, Nahe dem wilden Herzen, Erster Teil, Joanas Tag, S. 18f., Ffm. 2014.

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RASENDES SHINKANTAZA IM ICE

Das Grauen kann erfahren werden, weil man im und mit einem Körper lebt. Zwar ermöglicht der Körper ein In-der-Welt-sein, jedoch bleibt dieses nicht allein durch ein Gefühl der Selbstidentität bestimmt, denn der Körper wird auch zum Schauplatz eines anderen, fremden, der individuellen Existenz vorgängigen Lebens; die psychoanalytische Einsicht, dass das andere Ursprung des ichs sei, kann als ein…
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»Wenn es möglich wäre, zehn, hundert, ein Million Jahre nach dem Tod, in irgendeinem Augenblick, in dem einer zu Staub, zu einem Wurm, zu Nichts geworden ist, das Ich und die Erinnerung zurückzuerlangen und den Tag der Liebe wiederzusehen, den er heute erlebt, und mit dem Nichts zu vergleichen, das er dann ist – wenn das mögliche wäre, dann würde er die Sehnsucht nach dem Paradies empfinden, in das er niemals gelangen wird. Was er erführe, gilt im Leben schon für jeden Abend, jedes Ende, jeden vergehenden Moment des Glücks, und wer es weiß, nimmt die Erfahrung in die Erwartung des Erwachens und der Dauer mit hinein, die für die Spanne des Lebens im Gegensatz zum Nichts gestattet ist. Auf die künftige Liebe fällt ein Schatten, der Fluch, daß es kein Verweilen gibt, der Fluch der Vertreibung. Die Liebe, die dadurch blasser wird, verdient ihren Namen nicht. Die sich dagegen aufbäumt, ist eitel. Der Fluch ist die Wahrheit.« 

Max Horkheimer, Gesammelte Schriften, Bd. 6, Notizen 1949-1969, S. 376,  Frankfurt/M. 2008.

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Hier jedoch, an der Schwelle einer philosophischen Analyse der Identität, scheint es angemessen, das Gesicht sehr genau zu betrachten, das sie uns und dem Alltagsleben zuwendet – die Wiederholung als solche nämlich, die fortwährende Wiederkehr des Gleichen in all ihrer psychologischen Öde und Langeweile mit anderen Worten, die Neurose. Adorno bedient sich der Freudschen Begrifflichkeit auf sehr beschränkte Weise (die in manchen Zusammenhängen grobmaschig und altmodisch erscheint, in anderen dagegen neue Schichten und Ebenen der Analyse freilegt,) und so gilt ihm die Neurose einfach als die tödlich langweilige Eingeschlossensein des Ich in sich selbst, das durch seine Furcht vor dem Neuen und Unerwarteten verstümmelt ist und seine Einerleiheit auf all seinen Wegen mit sich schleppt, um den Schutz des Gefühls zu genießen, daß es wo immer es seine Hand zur Berührung ausstrecken mag, nirgendwo auf etwas ihm Unbekanntes treffe. Angesichts dieser Auffassung beginnt sich jedoch die Frage aufzudrängen – nicht nur ›psychologisch‹ -, welche Kraft dazu erforderlich wäre, sich dem Neuen zu stellen, sich ihm zu ›öffnen‹; noch mehr jedoch: wie das Neue beschaffen sein und aussehen könnte, wie man es anstellt, etwas sich vorzustellen und in Begriffe zu fassen, was per definitionem unvorstellbar und unvorhersehbar ist, was in der je geläufigen Erfahrung kein Äquivalent besitzt. An diesem Punkt taucht allmählich das Gegen-Bild oder Trugbild zum völlig in seine ›Identität‹ eingesperrten neurotischen Ich auf – nämlich die jeder Darstellung sich entziehende Vision des im unaufhörlichen Fluß befindlichen absolut Neuen, des Unwiederholbaren, des großen Stroms, in den man niemals zweimal taucht und den Deleuze den flux des ewigen Wandels nennt, in dem weder Subjekt noch Objekt jemals vorstellbar sind, nur der Schrecken und die Erschöpfung des radikalen Unterschieds ohne Markierungspunkte oder Wegweiser, ohne Augenblicke des Verweilens, ja selbst ohne jene Erdspalten und -falten, in die wir, wie der Stier in seine querencia, uns zurückziehen, um unsere Wunden zu lecken und ein paar friedvolle Momente zu finden.

Fredric Jameson, Spätmarxismus. Adorno oder Die Beharrlichkeit der Dialektik, Teil I: Düstere Beschwörungen des begriffs, 1. Identität und Nicht-Identität, S. 21, Hamburg 1991.

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Würde ich diese Erzählung bereichern, wenn mich einiger termini technici bediente? Aber das ist es ja eben: Die Geschichte ist völlig frei von Technik, auch stilistisch gesehen, sie geht, wie sie eben geht. Und außerdem würde ich um nichts in der Welt ein Leben mit glänzenden und falschen Worten beflecken, das so karg ist wie das unserer Schreibkraft. Tagsüber tue ich wie jeder Mensch Dinge, die mir gar nicht auffallen. Und eine der augenfälligsten Verrichtungen ist diese Geschichte, an der ich keine Schuld trage und die herauskommt, wie sie eben herauskommt. Die Schreibkraft lebte gewissermaßen in einem benommenen Nimbus, zwischen Himmel und Hölle. Nie hatte sie gedacht: ›Ich bin ich.‹ Vermutlich fand sie, sie habe dazu kein Recht, sie war doch nur ein Zufall. Ein Fötus, den jemand in den Müll wirft, eingewickelt in Zeitungspapier. Gibt es Tausende wie sie? Ja, und auch die sind nur Zufall. Genauer bedacht: Wer wäre im Leben kein Zufall? Ich für meinen Teil vermeide das nur dadurch, dass ich schreibe, was wiederum ein Akt ist, der ein Fakt ist. Erst dann trete ich mit meinen inneren Kräften in Verbindung, finde durch mich hindurch euren Gott. Wofür schreib ich? Weiß ich das überhaupt? Nein, tue ich nicht. Es stimmt schon, manchmal denke ich auch, dass ich nicht ich bin, ich scheine dann einer fernen Galaxie anzugehören, so fremd bin ich mir. Bin ich das? Mich schreckt, mir zu begegnen.

Clarice Lispector, Der große Augenblick, Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Luis Ruby, Mit einem Nachwort von Colm Toibin, S. 46 f, Ffm. 2016.

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»Ich bin alles, ich bin allein: man. ›Is your computer slowly killing you?‹«

Ich allein bin alles und nichts als Ausdruck des depressiven Moments eines Dividuums, welches sich schon beim Atmen wollüstig obszön wiederfindet. Ich allein bin nichts und ich kann nicht sagen, dass ich, sicher ein Einzelner, der einzige bin, aber ich müsste es sagen. Da ich es nicht kann, ist dies ein weiterer Grund, warum ich mich mit diesem Indefinitpronomen »man« bezeichnen werde. Ich werde…
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Bestimmtheit und Gegenständlichkeit haben die Arbeitsvermögen (1) weit unterhalb des Ichs (in ihrer Vorgeschichte, im körperlichen Gemeinwesen, in ihrem zum Teil unbewußten ganzen Bewegungen); (2) weit außerhalb des Ichs, in der Landschaft der Industrie, samt den von dort ausgehenden Warenverhältnissen (in deren Geschichte, dinglichen und zum Teil unbewußten Nicht-Gemeinwesen). In diesem Gesamtlaboratorium machen sie vollständige Bewegungen. Die ptolemäische Subjektivität verhält sich dazu als Querkopf. Drei Gefangenschaften bilden dieses Reich: die Abgeschlossenheit der Körper; die Einschließung zwischen Geburt und Tod, der Lebenslauf; das Hirn, das wie in einem Sarg, von Knochen umgeben, aus körperlichen Eindrücken und Einblicken, die im Lebenslauf gewonnen sind, sich Deutungen zurechtmacht, die in der Regel die wirkliche Bewegung zwischen gesellschaftlicher Makro- und geschichtlicher Mikrostruktur sperren. Es geht aber nicht darum, durch individuelle Entschlüsse diesen Modus der Wahrnehmung gegen einen realitätsgerechteren umzutauschen. Der verdrehte Modus der Erfahrung ist in massiven Bedürfnissen nach Sicherheit, im Zentrum des ursprünglichen Eigentums, das der Mensch für sich haben muß, verankert.

Oskar Negt/Alexander Kluge, Geschichte und Eigensinn, I. Geschichtliche Organisation der Arbeitsvermögen, Kommentar 3: Begriff des Wirklichen. Bestimmtheit, Unbestimmtheit, Gegenständlichkeit, Ungegenständlichkeit, S. 345, Berlin 1981.

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Vor allem verschreibe ich mich […] all denen, die in mir erschreckend unerwartete Stellen berührt haben, all diesen Propheten der Gegenwart, die mir mich selbst voraussagten als denjenigen, der gleich explodieren wird zu: ich. Dieses Ich, das ihr alle ist, da ich es nicht aushalte, nur ich zu sein, ich brauche die anderen, um mich auf den Beinen zu halten, benommen, wie ich bin, ich schiefer Kerl, was soll man denn machen, wenn nicht meditieren, um in jene volle Leere zu fallen, die man allein erreicht durch Meditation. Meditieren muss keine Resultate bringen: Die Meditation kann nur sich selbst zum Ziel haben. Ich meditiere ohne Worte und über das Nichts. Was mir das Leben schwermacht, ist das Schreiben.

Clarice Lispector, Der große Augenblick, Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Luis Ruby, Mit einem Nachwort von Colm Tóibín, S. 5 f., Frankfurt am Main 2016.

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Denn mit den Störungen des Gedächtnisses ist eine Intermittenz, eine Arrhythmie des Herzens verbunden. Zweifellos verleitet uns die Existenz unseres Körpers, der uns wie ein Gefäß vorkommt, in dem unsere Geistigkeit eingeschlossen ist, zu der Vermutung, daß alle Güter unseres Inneren, unsere vergangenen Freuden, unsere Schmerzen unaufhörlich sich in unserem Besitz befinden. Vielleicht ist es ebensowenig zutreffend zu glauben, daß sie uns entfallen oder wiederkehren. Auf alle Fälle, wenn sie uns bleiben, so die meiste Zeit in einem unbekannten Bereich, in dem sie ohne Nutzen für uns sind und wo sogar die allervertrautesten von Erinnerungen einer anderen Ordnung zurückgedrängt werden, die jede Gleichzeitigkeit mit jenen in unserem Bewußtsein ausschließen. Wenn wir aber des Rahmens der Empfindungen, in dem sie aufbewahrt sind, wieder habhaft werden, so haben diese ihrerseits ganz die gleiche Macht, alles abzustoßen, was unvereinbar mit ihnen ist, und allein in uns das Ich wiederherzustellen, das sie einstmals erlebte.

Marcel Proust, Auf der Suche nach der verlorenen Zeit, Sodom und Gomorrha, II, Erstes Kapitel, S. 3818ff., Suhrkamp 2010, >.

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noxe

Wenn man sagt, »ich bin ganz da«, ist man lediglich ein allgemein konzediertes Anzeichen einer einzigen Abwesenheit. »So ist »›es‹«, lautet der trostlose Zuspruch von einer Person, die das »es« auffällig betont. Deren Zusage einer Verabredung zwecks Lektüre der »Wissenschaft der Logik« nicht erfüllt wurde, was man angesichts ihrer Beteuerungen, mit Komplimenten zu Kenntnissen über Adorno verstrickt, unwillkürlich als unanständig auffasste. Dann platzt jemand plötzlich mit der Frage herein: »Wer ist ich?« Zum Glück steht die Frage nicht im Raum: »Wer bin ich?« Denn wer will schon wissen, wer man ist, soweit zumindest kann man »ich« sagen. Was einem noch im Gedächtnis bleibt: »Zum Glück bin ich nicht du.« - »Wen immer du damit auch meinst.« - »Das spielt keine Rolle.« - Wer zu Hegel ja sagt, sagt der auch: »hegel ist ein ddrautor«*?  

* Ronald M. Schernikau, zit. n.: Tjark Kunstreich, Nach dem Westen, S. 112. Berlin 2003.   

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Der Autobiograph vollzieht zwei einander widerstreitende Bewegungen zugleich: er bewegt sich auf den zu, der er war, und indem er dies tut, entfernt er sich zugleich von ihm, der für ihn zum andern seiner selbst wird. Ob er es will oder nicht, wird ihm das Ich, dessen Befindlichkeiten er wiederzugeben sucht, zur Gestalt eines andern. Er selbst aber, der Schreibende, konstituiert sich als reiner Blick und Fähigkeit, das Geschaute festzuhalten. Da er tätig ist, spürt er sich leben. Dieses Leben ist glücklich, insofern es auf keine anderen Widerstände trifft als auf diejenigen, die sich aus seinem Schreibprozess ergeben. Aber dieses Leben hat seinen Ort nur im Schreiben. Die Grenzen der weißen Bögen sind die Grenzen seiner Welt.

Peter Bürger: Das Verschwinden des Subjekts. Eine Geschichte der Subjektivität von Montaigne bis Barthes, S. 228. 1998, Suhrkamp: Frankfurt a. M.

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