Die negative Philosophie, universale Auflösung, löst stets auch das Auflösende selber auf. Aber die neue Gestalt, in der sie beides, Aufgelöstes und Auflösendes, aufzuheben beansprucht, kann in der antagonistischen Gesellschaft nie rein hervortreten. Solange Herrschaft sich reproduziert, solange kommt in der Auflösung des Auflösenden die alte Qualität roh wieder zutage: in einem radikalen Sinn gibt es da gar keinen Sprung. Der wäre erst das Ereignis, das hinausführt. Weil die dialektische Bestimmung der neuen Qualität jeweils auf die Gewalt der objektiven Tendenz sich verwiesen sieht, die den Bann der Herrschaft tradiert, steht sie unter dem fast unausweichlichen Zwang, wann immer sie mit der Arbeit des Begriffs die Negation der Negation erreicht, auch im Gedanken das schlechte Alte fürs nichtexistente Andere zu unterschieben. Die Tiefe, mit der sie in die Objektivität sich versenkt, wird mit der Teilhabe an der Lüge erkauft, Objektivität sei schon die Wahrheit.
Theodor W. Adorno, GS 3, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, 152, Vor Mißbrauch wird gewarnt, S. 280 f., Frankfurt/M. 2003.