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Open Excess
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Tout va bien”  (1972) by Jean-Luc Godard & Jean-Pierre Gorin <Groupe Dziga Vertov>

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fundgruber

"Weil »der Marxismus« und seine verkommenen Zerfallsformen, von der Frankfurter Schule bis zur »Konsumkritik« (an der »Wegwerfgesellschaft« oder »Überflussgesellschaft«, oh Lord, dabei war und ist das Gute an Marx doch, dass er Produktionskritik treibt und ermöglicht statt Konsumkritik oder gar, wie bei den faschistischen antisemitischen Theorien übers Finanzkapital, die noch stupidere Zirkulationskritik), im linksliberalen Milieu zwischen Uni und Kunst und Medien und Kulturleben so absurd »hegemonial« (d. h.: zerquatscht) waren damals, gab’s viel Apostasie – man wandte sich, statt gleich einem ehrlichen Antikommunismus, erst mal untergegangenen oder übersehenen Seitenarmen der marxistischen und paramarxistischen Denkerei zu; einige entdeckten Gramsci (ein wichtiger Schritt in Richtung Cultural Studies …), andere Trotzki, wieder andere irgendwelche romantischen Linksradikalismen (von Pannekoek führt ein komischer Weg zum Operaismus) oder Walter Benjamin oder was auch immer. Alle wollten sie jedenfalls mehr ORIGINALITÄT, mehr FANTASIE, weniger Langeweile und Ödnis. Wie sah das aus? Das beste Momentbild, das ich kenne, bietet der Godardfilm Tout Va Bien von 1972. Achtundsechzig war vier Jahre her, alle im Film grübeln irgendwie bewusst oder unbewusst darüber, warum nicht mehr draus wurde, warum »alles so weitergeht«.

Drei Szenen: Ein Arbeiter, der in einer Fleischfabrik einen wilden Streik mit ausgelöst hat, beschwert sich darüber, dass die Gewerkschaft (also: die etablierte Organisation des Arbeitskampfes) ihm und seinesgleichen immer mit irgendwelchen Zahlen kommt und den Leuten damit ausreden will, einfach mal drauflos zu kämpfen (die Zahlen sind wohl betriebswirtschaftliche und makroökonomische, Bestandteile »marxistischer Wirklichkeitsübersetzung« eben, in Gestalt von Wirtschaftsanalyse). Der Arbeiter sagt: Mir reicht es mit den ökonomischen Schulungen, ich will dem Chef in den Arsch treten. Nächste wichtige Szene, eine Weile später (diese Szenen kommen immer als Kontextmomente zu der den Film gliedernden Liebes-Beziehungs-Stress-Geschichte zwischen einem französischen linken Intellektuellen und Filmemacher ohne Perspektive, Yves Montand, und einer amerikanischen linken Intellektuellen und Journalistin ohne Perspektive, Jane Fonda, denn das Private ist politisch bla bla bla): Kampf der Studierenden. Die legen sich mit den Bullen an, aber der Parteikommunist steht mit der Parteizeitung da und liest daraus vor, man solle nicht individualistische Knallaktionen veranstalten, denn das bringe nichts. Dritte wichtige Szene: In einem Riesensupermarkt stehen die Menschen wie Zombies an den Kassen und lassen sich abfertigen. Zum Angebot im Monsterladen gehört auch das kommunistische Programm, ein Parteikommunist liest daraus vor und will es verkaufen wie Seife oder Obst, aber ein paar wilde Studis stellen ihn zur Rede: Los, erklär mal, wie soll das die Welt verändern? Und er sagt nur: Kommen Sie ins Parteibüro. Na schön, der ist eben langweilig, also fangen die Studis an, zu randalieren, und klauen die Waren und stecken die Zombies mit ihrer Manie an, die jetzt also auch plündern, und alle prügeln sich schließlich mit den Bullen. Na ja. Das finde ICH langweilig, diesen Kindergartenaufstand.

Der öde Typ mit der Zeitung hat einfach RECHT, wenn er sagt, Steineschmeißen ohne Plan bringt nichts. Und der Arbeiter, der sich eingeseift fühlt von den Zahlen der Gewerkschaft, zieht den falschen Schluss, wenn er denkt: Scheiß doch auf die Zahlen. Denn der einzige Weg, das reformistische Jonglieren mit Zahlen zu beenden, ist der revolutionäre Gebrauch der Zahlen zur illusionslosen Beschreibung der Lage."

Dietmar Dath an Philip Teisohn, Frankfurt a. M., den 10. März 2020. in: Okkultes Denken. 2023

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“One long interview features “Marcel,” an elderly watchmaker in a small Swiss workshop and an amateur filmmaker who records only scenes of nature. Godard shows Marcel’s naive but majestic images of mountains and rivers, and when he asks the craftsman why he doesn’t add a commentary (“to record what is going on inside you”), Marcel answers, “The images show what is going on inside me.” Within several years, Godard too would start to film nature, and would do so more insistently, and with more originality, in order to show what was going on inside himself. Marcel opened up to Godard the possibilities of filming nature spontaneously and simply, yet grandly. The amateur movies of Marcel Reymond would prove to be a more direct inspiration to Godard’s later work than even Bresson or Rossellini had been to his earlier films.”

Richard Brody, Everything is Cinema

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Toward the end of our visit to ‘Voyage(s) en utopie’, the elliptical rough draft of the original Godard exhibition at Centre Beaubourg which, in the end, never happened [...]  Everything, here, plays with the public’s curiosity: in this scaffold of projects, in this house of destroyed puppets, one always feels a little like the last visitor to the last exhibition of the last film-maker in his last years. Everything has already been written, filmed, and one is left to decipher the vestiges. Which makes one feel at once fortunate and disgruntled: Godard regrets an exhibition that he has probably made entirely so as to be obstructive. He plays with his glory and his failure. ‘At the Pompidou, what they love is dead people’, he says before we begin our visit. ‘With something living. This isn’t an exhibition site, it’s a parking lot. The result is this autopsy: this archeological layer. There are two exhibitions together, but the first one isn’t there any more. What you see is the scenario of this exhibition that was never made. It’s the state. It’s authority. And perhaps it’s my relation to all of that…’ Godard never speaks of the Beaubourg, but of the ‘Pompidou’. Later, laughing, he says that the only relation between himself and the ‘Pompidou’, now, is cortisone. Death and farce are omnipresent.

Interview with Philippe Lançon, 12 July 2006, 21:57

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