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Open Excess
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garadinervi

Marcel Broodthaers, Museum. Enfants non admis, (painted vacuum-formed plastic plate), 1968-1969, Edition of 7 [MoMA, New York, NY. © Succession Marcel Broodthaers / ARS, New York / Sabam, Brussels. Photo: © Erwin De Muer and Cedrik Toselli]

Source: moma.org
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"Die Große Revolution führte einen neuen Kalender ein. Der Tag, mit dem ein Kalender einsetzt, fungiert als ein historischer Zeitraffer. Und es ist im Grunde genommen derselbe Tag, der in Gestalt der Feiertage, die Tage des Eingedenkens sind, immer wiederkehrt. Die Kalender zählen die Zeit also nicht wie Uhren. Sie sind Monumente eines Geschichtsbewußtseins, von dem es in Europa seit hundert Jahren nicht mehr die leisesten Spuren zu geben scheint. Noch in der Juli-Revolution hatte sich ein Zwischenfall zugetragen, in dem dieses Bewußtsein zu seinem Recht gelangte. Als der Abend des ersten Kampftages gekommen war, ergab es sich, daß an mehreren Stellen von Paris unabhängig von einander und gleichzeitig nach den Turmuhren geschossen wurde. Ein Augenzeuge, der seine Divination vielleicht dem Reim zu verdanken hat, schrieb damals:

Qui le croirait! on dit qu'irrites contre l'heure De nouveaux Josues, au pied de chaque tour, Tiraient sur les cadrans pour arreter le jour."

Walter Benjamin, Über den Begriff der Geschichte

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Selbst wenn es finanziell gefördert werden musste, also nicht als frei verfügbares Allgemeingut vorhanden war, so gab es doch die ausgebildeten WissenschaftlerInnen. Das ist nicht mehr oder immer weniger der Fall. Damit werden die Gewerkschaften abhängiger von vorherrschendem und teurem ExpertInnenwissen oder, wo sie misstrauisch sind, entsteht die Gefahr der intellektuellen Selbstbegrenzung. Strategische Diskussionen werden kurzatmiger und verlieren an Komplexität. Für linke Zusammenhänge gilt Vergleichbares. Sie konnten seit den 1960er Jahren davon profitieren, dass es einen ständigen wissenschaftlichen und personellen Austausch mit den Hochschulen gab. Was so lange von Vorteil war, könnte zum besonderen Nachteil werden, weil nach 1968 die westdeutsche Linke ihren Ort in einem starken Maß an den Hochschulen hatte. Geht dieser verloren, wird die Linke überproportional stark geschwächt. Kapitalismuskritik könnte auf moralische und Gesinnungskritik zurückfallen. Sie wäre geschwächt, weil ihr der ausgreifende Horizont wissenschaftlich systematischen Wissens fehlt.

Alex Demirovic. Zur Neuformierung kritischen Wissens. 12 2005 https://transversal.at/transversal/0806/demirovic/de

"Aufgrund des Drucks, sich schnell in verschiedene Bereiche einzuarbeiten, droht die Gefahr des Dilettantismus; gleichzeitig gibt es nirgendwo in der Gesellschaft noch die Forschung, die umfassend einen Gegenstandsbereich untersucht. Auch methodologische Probleme sind gravierend: Die Auflösung der disziplinären Ordnung desorientiert, der Wissenskanon und die Referenzen werden instabil. Die Theorie tendiert zum Empirismus, denn da viele Einzeltheorien zu einzelnen Gesellschaftsbereichen und Handlungslogiken entstehen, von denen nicht zu erwarten steht, dass sie auf eine einzige universelle Logik – die Ökonomie oder die Sprache – reduziert werden können, entsteht das Problem ihres Zusammenhangs.

[...] um den Zusammenhang nicht aus den Augen zu verlieren, werden aufgrund mangelnder Ressourcen (Individuen, Zeit, Geld, Kompetenzen, Forschungseinrichtungen) fragwürdige Schwerpunkte gebildet, von denen aus wie mithilfe eines metaphysischen Schlüssels die Breite gesellschaftlicher Entwicklungen erklärt werden sollen. So häufig wird ja übersehen, dass der Ökonomismus selbst eine sicherlich begrenzte, aber rationale Wissenspraxis war, sofern er für die wenigen wissenschaftlichen Kräfte eine Priorität ihrer Arbeit schuf. So ist es denn auch nicht zufällig, dass erst mit der allmählichen Verankerung gesellschaftskritischen Wissens innerhalb der Hochschulen auch die Herrschaftsmodalitäten der Politik und Kultur Gegenstände detaillierter Forschung wurden. Das alles (schwache Diskussionszusammenhänge, diskontinuierliche Arbeit, materielle Unterausstattung, methodologisch-epistemologische Unklarheiten) sind der intellektuellen Arbeit abträgliche Bedingungen."

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nullmuseum

Computer mit HyperCard-Katalog im Rahmen der Ausstellung Museum für Geschichte (Geschichte als Gegenwart) des Botschaft e.V. 1993, aus Annette Maechtel, Das Temporäre politisch denken: Raumproduktion im Berlin der frühen 1990er Jahre. 2021

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fundgruber

siehe auch Pit Schultz:

"Die Systematisierung des Museums ist eine konstruierte, der Unordnung der Dinge nachträglich auferlegte Matrix zur Eingliederung in das bestehende Wissen. Das Bruchstückhafte wird durch Interpretation zum Hinweis um ein umfassendes Modell zu bestätigen. Widersprüche bleiben zwar erhalten, entschlüsseln sich aber nicht. Die Wahl der Quellen, also dessen, was im Depot bleibt und nicht in den Fussnoten auftaucht, beschreibt das Schweigen im Archiv, dessen was zwar bekannt sein mag, aber ausgeschlossen wird.

Geschichte wird dabei gerichtet dargestellt, so als hätte es zur Entwicklung keine echten Alternativen gegeben, beziehungsweise wären diese immer nur die möglichen Abzweigungen datierbarer Entscheidungssituationen, wie zum Beispiel durch Schlachten oder Wahlen markierbar. Die Faktoren der Heterogenität, Diskontinuität, Vernetztheit und nicht zuletzt die Momente der Affekte sind die Widersacher der Musealisierung und Geschichtsschreibung, da sie mit deren Methoden nicht “einzufangen” und als Quellen nutzbar und vermittelbar sind.

Musealisierung, oder: “richtig 92”

Bezeichnenderweise haben wir uns in den 90ern intensiv mit Musealisierung beschäftigt, experimentelle Archive angelegt, und das Dokumentarische untersucht. Dabei kam es zu experimentellen Formen die sich mit dem Aussen beziehungsweise den Paradoxa der Institution Museum beschäftigten. Drei Beispiele: das Museum für Zukunft war ein Projekt der unrealisierten Projekte, eine Sammlung von Aussagen zum Kommenden, von verschiedensten Personen aus allerlei Disziplinen.

Es bestand im Wesentlichen aus einer Datensammlung, Fragebögen und Interviews, und tourte und konferierte vor Ort. Das „E­Smog Archiv“ war der Versuch, ein Wissen zu dokumentieren, das auf Ausschluss des Irrationalen besteht, nämlich der Technik des Elektromagnetismus und der heute weiter schwelenden Debatte um seine gesundheitliche Verträglichkeit. Schliesslich das „Museum für Geschichte“, Teil des “richtig 92”-Zyklus von Botschaft e.V., ein Gemeinschaftsprojekt mit Harald Fricke (mit Adib Fricke, Wolfgang Müller, Helmut Höge, Fritz von Klingräff & Bettina Allamoda), in der es um die Untersuchung der Bedingungen von Geschichtlichkeit ging.

In jedem der Fälle wurde der gesellschaftliche Wissensprozess als kollektiver Produzent gesehen, den man durch geschickte Abfragen zum Sprechen bringen konnte. Das Mitschwingen der jeweiligen Herkünfte und Kontexte zu erkennen und zu respektieren, war dabei die eigentliche Herausforderung: Methoden der Prozessualisierung, Rhytmisierung, Schnitt, Verlinkung, Assemblage sowie kritische Analyse, das heißt Auflösung im dialogischen Diskurs. Die Legitimierung im Politischen war weniger das Ziel als dessen Aktualisierung und Umsetzung im Arbeitsprozess selbst." https://berlinergazette.de/de/berlin-1990er-archivierung/

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Link rot and technological decay pose critical challenges to any institution seeking to preserve knowledge and ensure its accessibility. Those threats are paradoxically strengthened by our modern relationship with digital technology. That is, simultaneously reconciling the endless scroll of TikTok and the ability to view millions of search results with a growing black hole of research and dissipating wisdom — an abyss of choice powering our ad-centric dystopia juxtaposed by the illusion of insight. We were wowed by infinite knowledge and the possibilities the internet of the future would bring, yet we are careening into a world where the promises of the “information superhighway” is collapsing onto itself — dragging trust, public interest, and a fact-based society along with it.

Michael J. Oghia, Something’s Rotten with the State of Our Archives. Nov 2024 https://www.readtangle.com/otherposts/somethings-rotten-with-the-state-of-our-archives/

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fundgruber
The indigenous worker sees the migrant in an ’inferior’ position, and what he sees and hears emphasizes how the migrant is different. Different to the point of being unknowable. Imperceptibly - there is no moment of decision - the two characteristics fuse. From being unknowable the migrant comes to be seen as being beneath understanding: as being intrinsically unpredictable, disorganized, feckless, devious. And then the inverted commas around inferior disappear: what has become the migrant’s intrinsic inferiority is now expressed in his inferior status. What he is paid to do reflects what he is. The fusion has occurred. [...] The principle of equality is the revolutionary principle, not only because it challenges hierarchies, but because it asserts that all men are equally whole. And the converse is just as true: to accept inequality as natural is to become fragmented, is to see oneself as no more than the sum of a set of capacities and needs. The above argument may show why the working class, if it accepts the natural inferiority of the migrants, is likely to reduce its own demands to economic ones, to fragment itself and to lose its own political identify.

John Berger, The Seventh Man (1975), p. 253ff. https://web.archive.org/web/20160805000323/http://abahlali.org/files/John%20Berger,%20Extract%20from%20A%20Seventh%20Man,%20Race%20&%20Class,%201975.pdf

"In 1972, John Berger won the Booker Prize, donating half to the British Black Panthers and using the rest to create A Seventh Man with Jean Mohr. This genre-defying book tells migrant workers’ stories through independent words and images. Nearly 50 years on, it remains a vital call for solidarity." Chunkingbooks

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nullmuseum

"Synthetic Pasts is a critical-creative inquiry into what future(s) for personal and collective memory our algorithmic present anticipates and paves the way for. It explores how fragments from the past - photos or audio recordings of our deceased relatives for example - are remediated/animated through algorithmic systems, and with what consequences for how we remember and commemorate. The creation of unanticipated ‘afterlives’ in the present has ethical, emotional, and political dimensions, and it is crucial that we critically examine these unprecedented processes, as well as the socio-technical infrastructures and platforms that enable and encourage them (for example, genealogy sites, Amazon, OpenAI and Google). "

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"A group of New Zealand MPs erupted into the haka during a vote for a controversial bill in parliament on Thursday, resulting in angry officials and MPs being kicked out of the chambers.

The vote was for the highly contentious Treaty Principals Bill, which seeks to reinterpret the 1840 Tiriti o Waitangi — known as the Treaty of Waitangi. It is a treaty between Māori leaders and the British crown, considered to be one of Aotearoa’s founding documents." https://www.pedestrian.tv/news/haka-new-zealand-parliament/

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Es gibt kaum eine Natur- oder technische Wissenschaft, deren Ergebnisse nicht in diesem winzigen Gerät verkörpert wären, wobei freilich das Wissen der Sprachwissenschaft, der Soziologie, des Designs usw. ebenfalls ins Spiel kommen. Das Mobiltelefon ist nicht allein das allwissende Gerät der gesellschaftlichen Kommunikation, sondern auch ein Gerät, durch dessen Verwendung der Einzelne einen riesigen Teil des gesellschaftlichen Gesamtwissens benützt.

Kristof Nyiri, Vernetztes Wissen: Philosophie im Zeitalter des Internets. Passagen Verlag, Wien. 2004, S. 173

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Photographs are the only class of museum object that is simultaneously a collectable item (a significant object) and a tool of management (used to record and present objects within the museum from conservation reports to websites), whether we are considering the 1860s or contemporary uses. This is compounded by a slippage of language between “photograph” (a thing) and photography (a process or activity). These ambiguous and dichotomous relations are manifested through these “collections” and “non-collections.”

Elizabeth Edwards: Thoughts on the “Non-Collections” of the Archival Ecosystem. In: Julia Bärnighausen, Costanza Caraffa, Stefanie Klamm, Franka Schneider, and Petra Wodtke (eds.): Photo-Objects : On the Materiality of Photographs and Photo Archives, p. 68

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In den letzten Jahrzehnten hat sich in zunehmendem Maße allgemein ein Unbehagen eingestellt, wenn von „Klassifikation" die Rede war und umso mehr, wenn von „Universalklassifikation" gesprochen wurde; denn eine fortschreitend bessere Einsicht in begriffliche Relationen schuf allenthalben eine kritische Einstellung gegenüber den allzu oft rein pragmatisch festgelegten Klassenordnungen bekannter universaler Klassifikationssysteme. Daneben wurde aber auch erkannt, daß die Aspektvielfalt moderner Wissenschaftsbetrachtung eine Monohierarchisierung und ein Einfügen von Wissenselementen in starre Begriffsordnungen ausschließt. Sollte damit aber „Klassifikation" zu einer unzeitgemäßen Methode degradiert worden sein? Sollte ihr Zweck — Ordnung von Elementen nach gemeinsamen Merkmalen — in der heutigen Zeit nicht mehr gefragt sein? Sollte man heute statt- dessen Gegenstände nur noch in ihrer Vereinzelung und in ihren Beziehungen zueinander sehen und ausschließen, daß es darüberhinaus Aspekte gibt, die ihre Zusammenfassung zum Zwecke besserer Übersicht rechtfertigen? Je komplexer sich unsere Welt entwickelt, je mehr sie an Informationen enthält, umso mehr gewinnt die Forderung nach Realisierung von Ordnung an Bedeutung. Eine solche muß jedoch keineswegs eine dynamische Entwicklung ausschließen. Wenn sich nun diese Forderungen nicht widersprechen sollen, dann muß z.B. in jedem Begriffssystem eine Möglichkeit vorgesehen werden, ein heuristisches Prinzip vorhanden sein, das der ständigen Weiterentwicklung des Wissens gerecht wird. Das System muß immer ein offenes sein, wenn es ein lebendiges sein soll. Auch muß es generativ die Bildung immer wieder neuer Subsysteme gestatten und aus diesen die sich im Wandel bewährenden Begriffe in seine eigene Ordnung hereinnehmen können.

Ingetraut Dahlberg, Grundlagen universaler Wissensordnung: Probleme und Möglichkeiten eines universalen Klassifikationssystems des Wissens. 1974 S. VI

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"The alphabet is often described as a European achievement linked with Semitic languages of the Mediterranean: Phoenician, Aramaic, Hebrew, Greek, Latin. This study explores a much larger picture that includes all of Eurasia, with Slavic roots in pre-history, and Sanskrit providing a model for Indo-European and other language families. Alphabet letters, now considered abstract signs, began as cosmograms and elements to explain stories of the skies, creation and life." Veltman, Kim H., Alphabets of Life (2014)

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