"Die Systematisierung des Museums ist eine konstruierte, der Unordnung der Dinge nachträglich auferlegte Matrix zur Eingliederung in das bestehende Wissen. Das Bruchstückhafte wird durch Interpretation zum Hinweis um ein umfassendes Modell zu bestätigen. Widersprüche bleiben zwar erhalten, entschlüsseln sich aber nicht. Die Wahl der Quellen, also dessen, was im Depot bleibt und nicht in den Fussnoten auftaucht, beschreibt das Schweigen im Archiv, dessen was zwar bekannt sein mag, aber ausgeschlossen wird.
Geschichte wird dabei gerichtet dargestellt, so als hätte es zur Entwicklung keine echten Alternativen gegeben, beziehungsweise wären diese immer nur die möglichen Abzweigungen datierbarer Entscheidungssituationen, wie zum Beispiel durch Schlachten oder Wahlen markierbar. Die Faktoren der Heterogenität, Diskontinuität, Vernetztheit und nicht zuletzt die Momente der Affekte sind die Widersacher der Musealisierung und Geschichtsschreibung, da sie mit deren Methoden nicht “einzufangen” und als Quellen nutzbar und vermittelbar sind.
Musealisierung, oder: “richtig 92”
Bezeichnenderweise haben wir uns in den 90ern intensiv mit Musealisierung beschäftigt, experimentelle Archive angelegt, und das Dokumentarische untersucht. Dabei kam es zu experimentellen Formen die sich mit dem Aussen beziehungsweise den Paradoxa der Institution Museum beschäftigten. Drei Beispiele: das Museum für Zukunft war ein Projekt der unrealisierten Projekte, eine Sammlung von Aussagen zum Kommenden, von verschiedensten Personen aus allerlei Disziplinen.
Es bestand im Wesentlichen aus einer Datensammlung, Fragebögen und Interviews, und tourte und konferierte vor Ort. Das „ESmog Archiv“ war der Versuch, ein Wissen zu dokumentieren, das auf Ausschluss des Irrationalen besteht, nämlich der Technik des Elektromagnetismus und der heute weiter schwelenden Debatte um seine gesundheitliche Verträglichkeit. Schliesslich das „Museum für Geschichte“, Teil des “richtig 92”-Zyklus von Botschaft e.V., ein Gemeinschaftsprojekt mit Harald Fricke (mit Adib Fricke, Wolfgang Müller, Helmut Höge, Fritz von Klingräff & Bettina Allamoda), in der es um die Untersuchung der Bedingungen von Geschichtlichkeit ging.
In jedem der Fälle wurde der gesellschaftliche Wissensprozess als kollektiver Produzent gesehen, den man durch geschickte Abfragen zum Sprechen bringen konnte. Das Mitschwingen der jeweiligen Herkünfte und Kontexte zu erkennen und zu respektieren, war dabei die eigentliche Herausforderung: Methoden der Prozessualisierung, Rhytmisierung, Schnitt, Verlinkung, Assemblage sowie kritische Analyse, das heißt Auflösung im dialogischen Diskurs. Die Legitimierung im Politischen war weniger das Ziel als dessen Aktualisierung und Umsetzung im Arbeitsprozess selbst." https://berlinergazette.de/de/berlin-1990er-archivierung/